“Das Theater hat mich aus einem ganz tiefen Loch rausgeholt” – Schauspieler

A/ J: Okay, und zwar kannst du einfach anfangen, dich vorzustellen, wer bist du? Wie heißt du? In welchem Bereich arbeitest du hier? Und einen Funfact über dich.

E: Okay, ich bin Eduard Zhukov, 30 Jahre alt, ich arbeite hier als Schauspieler und Funfact, ich habe mal meine Schwester aus dem Sumpf gerettet.

A/ J: Aus dem Sumpf?!

E: Ja, die ist mal einfach reingetreten und dann hat sie angefangen zu versinken. Ist das ein Funfact? Das ist eher traurig.

A/ J: Eigentlich ist das schon dramatisch.

E: Es war richtig witzig, wie grün sie war.

A/ J: Aber wie hast du sie dann rausbekommen?

E: Gezogen. Wir waren beide noch recht klein und da war sie recht leicht, gut ich auch, aber es hat funktioniert. Meine Cousine war auch dabei.

A/ J: Okay, krass … ja, das zählt auch als Funfact. Dann, was sind deine Aufgaben im Theater und was machst du den ganzen Tag?

E: Meine Aufgaben am Theater sind hauptsächlich Schauspielern; Auseinandersetzung mit Texten; Rollen vorbereiten ist eine große Aufgabe. Das ganze psychologische Futter zu finden für eine Rolle, damit die Leute mir das abkaufen, was ich da spiele; Parallelen zu finden zwischen der Figur und mir, welche Gemeinsamkeiten haben wir, was kann ich aus meinem privaten Leben in die Figur reinstecken und was muss ich mir ausdenken; wie verstehe ich die Figur, dass ich sie auch wirklich verteidigen kann, wenn es dann darauf ankommt, warum sie so handelt wie sie handelt. Das ist, glaube ich, so ein ganz großes Ding beim Schauspiel, dass du einfach verstehst, warum jemand wie Medea z.B. seine beiden Kinder tötet oder so.
Und dann, wie du das glaubhaft rüberbringst, dass es nicht wirkt, als wärst du der Böse, weil jeder Charakter natürlich auch eine Motivation hat, das zu tun, was er tut. Aber aus unserer Sicht ist es natürlich immer leichter, jemanden als böse zu bezeichnen, als sich zu fragen, warum eine Person handelt, wie sie handelt. Da ist ja immer ein Grund dahinter und das zu verstehen ist so die größte Aufgabe von einem Schauspieler.

A/ J: Das ist gefühlt ein halbes Psychologiestudium.

E: Psychologie ist nochmal ein bisschen anstrengender, weil es sich so wirklich mit allen möglichen Facetten der menschlichen Psyche beschäftigt. Also, klar, es ist schon irgendwo Psychologie, aber ich würde mich niemals als jemanden bezeichnen, der die Psychologie der anderen durchblickt. Ich kann vielleicht die Grundzüge erkennen, aber auch nur, wenn es ein guter Tag ist.

A/ J: Und dann abends Vorstellungen machen… oder in der Früh.

E: Ja, abends und morgens Vorstellung spielen und nebenher proben.

A/ J: Was machst du den ganzen Tag so im Theater? Wie würdest du deinen Ablauf beschreiben? Kommst du her, spielst und gehst wieder oder steckt da noch mehr dahinter?

E: Hm, also ja morgens aufstehen, dann macht man natürlich die eigenen Übungen. So wie ein Klavierspieler natürlich selber Klavier üben muss für die Stücke, die er gerade nicht spielt, so machst du deine Sprech- und Stimmübungen. Man muss natürlich immer seinen Körper fit halten, ob es jetzt Yoga ist oder Tanz oder Kampfsport, kommt immer darauf an, auf welche Rolle man sich vorbereitet. Das Ganze dauert so zwei, drei Stunden. Danach macht man halt Text und probt, was meistens auch nochmal acht Stunden dauert. Das ist dann so ein 10-Stunden-Arbeitstag, ich würde sagen, das ist so normal.

A/ J: Die nächste Frage ist zu deinem Werdegang: Wie lange bist du schon hier im Theater und was hat dich damals zum Theater bzw. zum Theaterspielen gebracht?

E: Am Theater bin ich jetzt seit dem Herbst offiziell und davor hatte ich ein Gastspiel gehabt, von Dezember vorletzten Jahres bis Januar / Februar letzten Jahres.

A/ J: Mit „Der Sturm“, oder?

E: Genau, mit „Der Sturm“. Ich bin durch Zufall damals ans Theater gekommen, weil ich einen Aushang gesehen habe, so einen Flyer wo sie Laiendarsteller gesucht haben und ich war damals in einer sehr, ja nicht so guten Situation, würde ich sagen in meinem Leben, weil ich damals nicht so wirklich einen Sinn dahinter gesehen habe. Als wir nach Deutschland kamen, war das alles irgendwie perspektivlos, weil es von allen Seiten hieß, dass es sowieso nichts wird. „Die Ausländer hier, die schaffen es eh nicht.“

A/ J: Konntest du damals schon Deutsch?

E: Als ich herkam, mit 9 noch nicht, ein halbes Jahr später habe ich es verstanden und sprechen können, aber auch erstmal nur gebrochen. Das Theater habe ich erst mit 18 gefunden. Das waren 9 Jahre in Sachsen, die alles andere als schön waren. Aber das Theater hat mich da wirklich aus einem ganz tiefen Loch rausgeholt. Ich habe gemerkt, dass ich doch tatsächlich irgendwie etwas habe, weswegen die Leute gerne zuschauen, wenn ich auf der Bühne bin. Das war das erste Mal, wo ich gemerkt habe, dass das etwas ist, was ich echt gut kann.

A/ J: Das ist total schön, wie dir das Theater da geholfen hat. Und nachdem du den Flyer gesehen hast, wie ging es dort dann weiter?

E: Dort waren wir Darsteller, alle Laien zwischen 18 und 22 und das Team drumherum waren alle Profis. Die waren teilweise vom Staatsschauspiel in Dresden. Die Regie, die Bühnenbildner, Dramaturgie und Musiker waren alle harte Profis und wir haben von denen jedes Wort aufgeschrieben, irgendwie versucht mitzunehmen. Dann war die zweite Produktion, wo ich dann mitmachen konnte, auch dort in Dresden und dann war die dritte Produktion in einem kleineren Theater und dann die vierte und dann haben die mir immer wieder gesagt, ich soll mich doch mal für eine Schauspielschule bewerben. Aber als ich mich beworben hatte, war ich zu jung, das haben die mir auch in den Vorsprechen gesagt. Daraufhin hat mir einer gesagt, ich soll mal für ein, zwei Jahre was anderes machen, einfach um mal ein bisschen Lebenserfahrung zu sammeln. Dann war ich 23 Monate bei der Armee, und dann hat’s das nächste Mal direkt geklappt auf einer Schauspielschule.

A/ J: Cool und dann 4 Jahre Schauspielstudium?

E: Genau, in Stuttgart, und dann wurde das nochmal für ein Semester verlängert wegen Corona, aber wir konnten in der Zeit schon arbeiten, hatten nur noch den Studierendenstatus. Offiziell bin ich also 2021 fertig geworden, aber offiziell offiziell erst 2022.

A/ J: Okay, dann die nächste Frage, und zwar gibt es eine Lieblingsproduktion, die du bis jetzt hier im Theater hattest?

E: Den „Sturm“ mochte ich hier sehr, das war eine sehr schöne Produktion. Aber „Die Mausefalle“ halt auch. Es war bei beiden Stücken ein sehr cooles Ensemble, wir haben irgendwie permanent Spaß gehabt bei allem. Also ich glaube, die beiden sind es: „Die Mausefalle“ und „Der Sturm“.

A/ J: Super, und dann noch eine Lieblingsproduktion allgemein, die du sagen kannst.

E: Wo ich mitgemacht habe. Ich glaube tatsächlich, „Cyrano de Bergerac“. Das war auch mit Ulrich Wiggers in Stuttgart, eine der ersten richtig großen Produktionen nach dem Schauspielstudium und er war auch derjenige, der mich hierher mitgenommen hat nach Eggenfelden, ihm hab ich es es eigentlich zu verdanken, dass ich hier bin.
Cyrano de Bergerac. Er ist eine Figur, die unglaublich schlau und ein unglaublich guter Kämpfer in der Zeit der Musketiere ist, er hat aber eine sehr große Nase. Aber nur er sieht das Problem mit seiner großen Nase und er verliebt sich in eine Frau, aber traut sich nicht, sie anzusprechen. Er merkt aber, dass sie jemanden anderen mag und schreibt ihm Briefe, damit dieser sie ihr gibt und so gibt das eine sehr komische Dreiecksbeziehung. Das ist eine Komödie, die am Ende zu einer Tragödie wird, weil so ziemlich jeder stirbt außer sie und sie dann ins Nonnenkloster geht.

A/ J: Ja, das ist wirklich spannend. Hast du da eher eine Nebenrolle gespielt oder eine größere?

E: Ich hab den gespielt der gut aussieht aber recht dumm ist. Es ist eine der drei Hauptrollen gewesen.

A/ J: Ah okay ja, dann danke dir für diese ganzen Geschichten und für deine Zeit.

E: Ja dann, danke euch!

Theater an der Rott Eggenfelden