Unter neuer Leitung geht das beliebte Format der Lesungsreihe zur besten Sendezeit in der Jubiläumsspielzeit 2023/24 unter dem Motto „Zeitreisen“ auf Tournee durch die vierte Dimension. Ein Rückblick auf das Gründungsjahr des Theater an der Rott und Panoramablicke auf die Hauptwirkungsstätten zweier weltberühmter Autoren anlässlich besonderer Jahrestage versprechen spannende, unterhaltsame und überraschende Perspektiven.
Das Attentat auf US-Präsident John F. Kennedy am 22. November 1963 in Dallas war nicht bloß ein Wendepunkt der jüngeren Weltgeschichte, sondern ebenfalls Stoff für einige der besten amerikanischen Romane des 20. Jahrhunderts. Wichtige Autoren wie Don DeLillo und James Ellroy haben die Umstände dieses Ereignisses akribisch und auf ganz unterschiedliche Weise interpretiert. Am selben Tag wie Kennedy starb der britische Romancier und Essayist Aldous Huxley und hinterließ den kurz zuvor erschienenen utopischen Entwurf „Island“ und letzte Gedanken über Shakespeare. Nur Stunden später trat im britischen Fernsehen ein nie dagewesener Utopist, Pazifist und Exilant eine Reise durch Raum und Zeit an, die bis heute andauert und sensationelle Spin-off-Storys hervorgebracht hat: die erste Folge von „Doctor Who“ ging auf Sendung. Und aus dem Exil zurück nach Europa kehrte 1963 ein auf seine Weise Geistesverwandter des Doktors: der große polnische Schriftsteller Witold Gombrowicz fand sich unverhofft auf der Insel West-Berlin wieder: Im selben Sommer, in dem John F. Kennedy dort den bekanntesten Satz seiner Karriere aussprach, streifte er mit der Dichterin Ingeborg Bachmann durch ein surreal menschenleeres Hansaviertel und philosophierte im Tiergarten. Auch dieser Spur folgt die erste Prime Time im November 2023.
Zum 150. Geburtstag von William Somerset Maugham (* 25.1.1874) führt der Weg an die Côte d’Azur, wo der britische Autor sein halbes Leben verbrachte. Neben Auszügen aus seinem Werk, die sich humoristisch bis schwermütig mit der luxuriösen Wahlheimat beschäftigen, werden auch die Eskapaden seines Nachbarn Jean Cocteau, das Netzwerk deutscher Exilanten in den 30er Jahren und die Auswirkungen von Krieg und Besatzung auf die kulturhistorisch einzigartige Mittelmeerregion im Fokus der zweiten Prime Time im März 2024 stehen.
Anlässlich des 100. Todestages von Franz Kafka (+ 3.6.1924) beschäftigt sich das Programm der dritten Prime Time im Juni 2024 mit der Prager Moderne: In den zwei Jahrzehnten zwischen dem Beginn der Unabhängigkeit der Tschechoslowakei und der deutschen Besatzung trafen in der Stadt deutsche, jüdische und tschechische Literatur auf der Suche nach neuen Formen in intensivem Austausch aufeinander. Kurzprosa und Briefe, aber auch Reportagen journalistischer Ikonen wie Milena Jesenská und Egon Erwin Kisch und wiederentdeckte Geheimtipps zeichnen das faszinierende Bild einer Kulturmetropole vor der Katastrophe.